Dolmetschen in der Psychotherapie
Wenn sprachliche Kenntnisse allein nicht mehr ausreichen
„Aufgrund zunehmender kultureller Heterogenität der Gesellschaft besteht die Notwendigkeit transkultureller psychotherapeutischer Kompetenz, zu der auch der professionelle Einsatz von qualifizierten Dolmetschern gehört.“ So oder ähnlich lautet es in Einführungen zum Thema Dolmetschen in psychotherapeutischen Sitzungen. Dieser Bereich der Arbeit eines Sprachmittlers gehört zweifelsfrei zu den Tätigkeiten, welche weit über sprachliche Fähigkeiten hinaus definiert werden müssen und ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen und politisch-soziokulturellen Kenntnissen fordert.
Bei der Bewältigung posttraumatischer Störungen – wie z.B. bei Flüchtlings- und/oder Kriegsopfern mit tiefsitzender Angst vor Verrat und Verfolgung – ist ein großes Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient unabdingbar. Das Hinzuziehen einer weiteren Person kann diesen Prozess erschweren und birgt die Notwendigkeit einer neu definierten Gesprächssituation, welche die traditionelle Therapeut-Klient-Dyade zu einer triadischen Beziehung werden lässt. Ein nicht einfaches Unterfangen, wie Experten der Psychotherapie immer wieder betonen. Manche schließen ein Gelingen dieser Therapieform sogar aus. Zu den Anforderungen an den Dolmetscher gehören Neutralität, Unbefangenheit, Schweigepflicht und transkulturelle Sensibilität. Empathie muss in einem gesunden Gleichgewicht zur Abgrenzung stehen, um die Gefahr einer zu hohen psychischen Belastung des Dolmetschers zu vermeiden. In den meisten Fällen erhalten auch die Sprachmittler eine therapeutische Betreuung, um die eigene Verarbeitung des Gehörten und Wiedergegebenen zu erleichtern. Für das Erreichen einer stabilen Arbeitsatmosphäre wird geraten, während des gesamten Therapieverlaufes immer denselben Dolmetscher einzubinden, welcher nach bestimmten Kriterien auszuwählen ist. Hier spielen Herkunft, Alter, Geschlecht, politische Überzeugung, Religion und nicht zuletzt die eigene psychische Gesundheit eine wichtige Rolle. Auch sprachliche Kompetenzen werden im Vorwege überprüft, denn kommt es hierbei zu einer Überforderung des Dolmetschers, ist der psychische Genesungsprozess des Patienten gefährdet. Ein weites Feld – nicht unkompliziert, aber erforderlich. Menschen mit Migrationshintergrund, die der deutschen Sprache gar nicht oder nur teilweise mächtig sind, können Dank eines qualifizierten Dolmetschers Hilfe erfahren und aus schweren Belastungsstörungen, Depressionen und Ängsten herausfinden.
Christine Wolter
staatl. gepr. Übersetzerin
Korrektorat & Texte