Zeitfenster

Zeitfenster

19. August 2014 Allgemein 0

Die rasante Entwicklung sämtlicher Lebensbereiche bringt die Notwendigkeit neuer Begriffe mit sich, um Kommunikation über das Neue in der Welt zu ermöglichen. Neue Lebensumstände, neue Zusammenhänge, neue Erkenntnisse, neue Technologien, neue Beziehungen, neue Ernährung, neue Kultur, neue Politik …

Alles ist neu. Und morgen ist das Neue alt und es gibt dann neues Neue.

Ich picke mir heute mal eines dieser Wörter heraus. Es bestimmt unseren Alltag, beeinflusst unsere Stimmung und verfügt über ungeahnte Kräfte in allen unternehmerisch-logistischen Abläufen: Das Zeitfenster.

Strenggenommen handelt es sich hierbei um ein aus den Wörtern „Zeit“ und „Fenster“ zusammengesetztes Substantiv. Die Zeit im Fenster? Ein Fenster aus Zeit? Großes Fenster, kleines Fenster? Besonders häufig wir der Begriff „Zeitfenster“ in den Bereichen Handwerk und Zustellung genannt. Zusteller jeglicher Art benötigen Zeitfenster, um nicht genau sagen zu müssen, wann sie zustellen. Man schaut also lange aus dem Fenster und verbringt so seine Zeit. Erst vor kurzem schlug mir auch der Heizungsableser ein Zeitfenster vor, welches den Zeitraum zwischen 8.00 und 12.00 Uhr erhellte. Hallo? Ich arbeite!?! Wie soll es denn unserer Wirtschaft gehen, wenn demnächst Zeitfenster unsere Arbeitskraft herabsetzen?
Der Begriff „Zeitfenster“ wird auch in der Projektplanung verwendet. Projektierungen, die aus Teilprojekten bestehen, nutzen Zeitfenster, um die Fertigstellung der Teilprojekte in einen zeitlichen Rahmen zu bringen, damit dann das daran anschließende Teilprojekt weiß, wann es loslegen kann. Hier wiederum spielt das gute alte Wort „Zeitpuffer“ eine wichtige Rolle, da das vorgegebene Zeitfenster eine Sicherheitsreserve benötigt. Die Sache wird kompliziert und schon wissen wir, warum es auch das „Zeitfenstermanagement“ gibt (es bleibt zu überprüfen, ob es dazu bereits Bachelor- oder Masterstudiengänge gibt).

Mir und meiner Arbeit als Übersetzerin und Texterin tun Zeitfenster nicht gut. Ich bin immer froh, wenn mir meine Auftraggeber sagen, sie bräuchten den Text z.B. am kommenden Mittwoch um 15 Uhr. Alles andere verleitet mich nur zum „ich hab ja noch Zeit“-Modus …. und dann schaut man schon mal aus dem Fenster.

Christine Wolter
staatl. gepr. Übersetzerin
Korrektorat & Texte