Die Sache mit dem Erröten
„Erröten macht die Hässlichen so schön: Und sollte Schöne nicht noch schöner machen?“
Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise (1729 – 1781)
Einige sind stärker davon betroffen, andere weniger. Die Sache mit dem Erröten. Lessing weiß diesem Prozess etwas Gutes abzugewinnen. Doch es gibt auch die unangenehme Seite.
Die physikalisch-physisch-chemischen Zusammenhänge sollen an dieser Stelle nicht näher erläutert werden – hilft ja auch nicht. Aber da wir uns auf diesen Seiten mit Sprache im weitesten Sinne beschäftigen, soll es in den folgenden Zeilen darum gehen, wie bestimmte Begriffe, Namen, Wörter und Sätze das Erröten auslösen können.
Denn Sprache ist stärker, als im Allgemeinen angenommen wird. Und hier kann sie gemeinsam mit dem vegetativen Nervensystem auslösen, was durch Gedankenarbeit, mentales Training, Therapien oder Willensakte nicht – oder kaum – gestoppt werden kann. Manches Erröten kommt dadurch zustande, dass ein Name oder ein Begriff mit einem bestimmten Gefühl assoziiert wird und die Gesichtsfarbe auffällig verändert. Oder eine durch einen bestimmten Satz hervorgebrachte Erinnerung bringt unser Blut in Wallungen und lässt uns hektisch am Schnürsenkel herumfummeln (fatale Folge: Das Blut schießt uns durch die Abwärtsbewegung noch stärker in den Kopf). Ganz gemein ist es, wenn etwas gesagt wird, was uns per se gar nicht durcheinanderbringt, aber uns gedanklich zu einer anderen, mit Scham erfüllten Situation bringen kann. Schwupps – schon wieder rot. Oder man selber sagt etwas völlig Unproblematisches, aber kaum gesagt, denkt man daran, was jetzt vielleicht die anderen denken könnten und schon macht sich die Hitze in den Haarwurzeln bemerkbar. Auch funktioniert leider das Spiel mit der self-fulfilling prophecy. Ein Thema rollt auf einen zu und man denkt noch: Bestimmt werde ich gleich rot und wieder schwupps. Und dabei hat man gar nichts ausgefressen.
Raten kann man hier nur, sich den sprachlichen Situationen möglichst oft auszusetzen. Sprecht aus, was euch erröten lässt und denkt dabei an Lessing. Es macht euch schön – und ungemein sympathisch!
Christine Wolter
staatl. gepr. Übersetzerin
Texte & Korrektorat