Mr. und Mrs. Bachelor
Akademisches Chaos?
Laut aktueller Pressemeldungen ist die deutsche Hochschullandschaft etwas undurchsichtig und vielschichtig problematisch geworden. Was ehemals ein Diplom- oder Lehramtsstudium war, ist heute ein straff durchorganisierter Bachelor- oder Masterstudiengang. Die Wirtschaft wünschte sich jüngere Berufseinsteiger und hoffte auf die Mr. und Mrs. Bachelors, die nach einer Studienzeit von drei bis vier Jahren frischen Wind in die Unternehmen bringen sollten.
Die Herrschaften Masters sollten durch eine vertiefende Studienzeit von weiteren zwei bis vier Semestern noch den wissenschaftlichen Kick in das Alltagsgeschäft bringen. Dass dabei leider die Studiengänge viel zu speziell ausgerichtet wurden (Europäische Kommunikationskulturen, Dezentrale Energiesysteme, Kulturelle Begegnungsräume der Frühen Neuzeit, Abenteuer- und Erlebnispädagogik, Bahnsystemingenieurwesen, Nachhaltigkeitsgeografie) ist jetzt leider dumm gelaufen, denn die Unternehmenswelt kann damit nichts anfangen. Auch sind über die Hälfte der Firmen laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) mit ihren Bachelor-Absolventen unzufrieden. Zu wenig Erfahrung, zu wenig Praxis, das Fehlen von sogenannten „Basics“. Was denn nun? Jung oder erfahren? Beides geht nicht, geehrter Unternehmer. Oder sind „schnell“ und „kompakt“ doch nicht die richtigen Attribute, wenn es um Studium und Lehre geht? Sicher, damals wurde die Studienzeit oftmals heftig in die Länge gezogen, aber vielleicht wurde noch tatsächlich studiert? Bibliotheken, Fachbereiche, Stellen als studentische Hilfskraft… . Manchmal waren wir wie Wühlmäuse, die sich durch die akademischen Landschaften ackerten. Und ja, auch die mühsam in den Zeitplan hineingebastelten Studentenjobs, die vielleicht genau die Praxiserfahrung brachten, die heute so schmerzlich vermisst wird, hatten ihren Platz im großen Ganzen.
Und wie immer gehe ich zurück in die Grundschulzeit, die vielleicht maßgeblich daran mitwirken könnte, dass Geschäftsbriefe von Mr. und Mrs. Master zumindest orthographisch korrekt geschrieben werden. Denn auch hier zwickt es heftig, sagen die Unternehmer: Auslandserfahrung? Ja. Guter Studienabschluss? Ja. Regelstudienzeit? Ja. Rechtschreibung? Leider nein. Praktische Abläufe des beruflichen Alltags? Leider nein. Strukturiertes Arbeiten? Leider nein. Vielleicht zeitlich doch nicht so straff, dafür inhaltlich gut?
Christine Wolter | staatl. geprüfte Übersetzerin und Dolmetscherin | Korrektorat & Texte