Kleine Sünde – Pure Lust

Kleine Sünde – Pure Lust

24. Februar 2015 Allgemein 0

Teesorten der New Generation

Früchtetee, Hagebutten-Tee, Pfefferminztee – meine Tochter rümpfte immer die Nase bei diesem Getränke-Angebot und griff regelmäßig zur Wasserflasche. Seit dasselbe Angebot Feentraum, Monsteralarm, Lillifee und Sternenglanz heißt, wird Tee sogar in der Schule getrunken. Auch im Freundes- und Bekanntenkreis wird die übliche Frage nach Kaffee immer häufiger abgelöst durch die Frage nach Tee. Was ist passiert?

Eigentlich nichts Spektakuläres. Werbefachleute – und nicht etwa Teekenner – sind lediglich auf die Idee gekommen, dem mittlerweile immer größer werdenden Angebot an unterschiedlichen Teezusammensetzungen Namen zu geben, die in uns positive Assoziationen freisetzen. Je nach Gemütslage benötigen wir den „Cherry-Kick“ oder einen „Frechen Flirt“ (wem das nicht reicht: Es gibt auch die „Freche Sünde“ oder die „Pure Lust“), eventuell hilft uns auch „Konzentration“ oder „Hol Die Kraft“, um unser Arbeitspensum zu bewältigen. „Träum schön“ oder „Innere Ruhe“ am Abend, „Muntermacher“ oder „Energie“ am Morgen – der Tag wird durch den richtigen Tee erst so richtig rund. Meint man. Dabei ist die „Magenliebe“ auch nur der übliche Kamillen-Tee – zaubert einer Bekannten von mir aber regelmäßig die Magenschmerzen weg – und hinter der „Entspannung“ verbirgt sich die altbewährte Melisse. Da aber heute nur noch die wenigsten wissen, was bei Magenkrämpfen oder innerer Unruhe hilft, muss es wohl explizit auf der Packung stehen und uns emotional ansprechen. Geht man trübsinnig durch den Supermarkt und findet im Regal „Harmonie“ oder „Freu Dich“, greift man schon mal zu, freut sich auf Besserung und macht es sich bei einer Tasse Tee gemütlich. Und schwupps – es geht schon besser! Ob es der Tee war oder die Tatsache, dass man es sich endlich mal gemütlich gemacht hat – wer weiß. Hauptsache, es hilft. Auf jeden Fall ein genialer Zug der Marketingmenschen für Tee. Denn so erhielten die Umsätze der Tee-Anbieter auch so manchen Cherry-Kick. Gut, dass es auch den „Klaren Kopf“ gibt. Allzu sehr sollten uns einfache Namen besser nicht beeinflussen, sonst wird der klare Kopf durch den Sweet Kiss außer Kraft gesetzt.

Christine Wolter | staatl. geprüfte Übersetzerin und Dolmetscherin | Korrektorat & Texte