Haruki Murakamis Übersetzerpool

Haruki Murakamis Übersetzerpool

1. Juli 2014 Allgemein 0

Beim Lesen eines Murakami-Romans denke ich immer auch an die sprachlichen Herausforderungen, denen sich die Übersetzer des japanischen Kult-Autors zu stellen haben.

Dem Japanischen nicht mächtig, kann ich nur annehmen, in den deutschen Übersetzungen den schreibenden Hurakami zu entdecken.

Wenn dem so ist – Chapeau!, Frau Gräfe.

Die als Murakami-Expertin bekannte Übersetzerin Ursula Gräfe versteht den japanischen Schriftsteller, versteht viel von ihm, seiner Kultur und seiner Sprache; sie scheint in der Lage zu sein, sowohl strukturelle als auch inhaltliche Phantastereien des sympathischen Autors in die deutsche Sprache übertragen zu können. Und sie macht das so gut, dass sich Murakami auf dem deutschen Buchmarkt immer größer werdender Beliebtheit erfreut.

Das von Murakami im Jahr 2000 erschienene Werk „Gefährliche Geliebte“ wurde zunächst aus dem Amerikanischen übersetzt. Warum, bleibt gemäß eigener Recherchen weitgehend unbeantwortet. Die Begründungen des Verlages wirken schwammig und die zum Teil fatalen Folgen der „Übersetzung einer Übersetzung“ zeigten sich nicht nur im literarischen Quartett des NDR. Der Roman „Gefährliche Geliebte“ wurde oftmals als „Literarisches Fast Food“ kritisiert; insbesondere wurde dem Werk sprachliche Saloppheit vorgeworfen.

Letztes Jahr wurde nachgeholt, was seit dreizehn Jahren überfällig war: Gräfe machte sich an eine Übersetzung aus dem Japanischen von „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“.

Der neue Text ist subtiler, feiner, rätselhafter. Der Leser beider Übersetzungen bemerkt gleich, dass das oft Schnodderige in „Gefährliche Geliebte“ eher kühl gehaltenen Beschreibungen in „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ weicht und damit auch der förmlicheren Art der Japaner im öffentlichen Umgang entspricht. Der Protagonist zeigt sich in seiner Einsamkeit als ein Mann in einer tiefen Krise. Entfliehen kann er dieser Einsamkeit nicht, auch nicht während der einzigen rauschhaften Liebesnacht, die er mit seiner Geliebten verbringt. Diese von Reich-Ranicki hochgelobte Liebesszene findet in der Gräfe-Übersetzung ebenfalls einen neuen Ton. Frei von Lust und frei von Romantik. Und gerade dadurch wird die Einsamkeit des Protagonisten noch deutlicher.

„Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ ist ein ebenso kalter wie magischer Großstadtroman. Es ist ein großartiger Roman, den es in der neuen Übersetzung wieder zu entdecken gilt.

Christine Wolter
staatl. gepr. Übersetzerin
Korrektorat & Texte