Alles gut
Einige sprachlich-kommunikativen Neuheiten nerven (Mami, chill mal dein Leben), andere etablieren sich und finden oftmals sogar ihren Weg in den DUDEN.
Es gibt eine Redewendung, die bei mir eine recht sportliche Karriere zurückgelegt hat: die zwei Wörtchen „Alles gut“.
Leute, was war ich genervt, als auf einmal überall und ständig alles gut war!
Du entschuldigst dich, weil du wieder was verdummbaselt hast und der Gepeinigte sagt „Alles gut!“. Dir fällt ein Teller aus der Hochzeitsgeschirr-Sammlung von der Oma deiner besten Freundin auf den Fliesenboden und während du noch überlegst, ob hier die Haftpflicht greift, sagt die Freundin schon „Alles gut.“ In dir verschwindet gerade das letzte Stück Kuchen, als du den Blick deines Gegenübers wahrnimmst und dir klar wird: „Der wollte auch noch was.“ Aber, was soll’s? Du brauchst nicht zum Bäcker zu gehen, denn es ist ja alles gut.
Ich bin wahnsinnig geworden, als „Alles gut“ in mein Leben trat. Denn ich gebe zu: Das Misstrauen war groß. Besonders bei der Geschichte mit dem Kuchen.
Um es kurz zu machen: „Alles gut“ ist auf Umwegen auch in meinem Sprachgebrauch gelandet. Plötzlich habe ich „Alles gut“ gesagt, wenn jemand was verdummbaselt hat und meine Pläne zerbrachen. Ich habe „Alles gut“ gesagt, als ich 120 Minuten warten musste, weil mich die Sprechstundenhilfe meines Hausarztes vergessen hatte. Und als meine Freundin mir beim Spülen geholfen hat und meinen Lieblings-Kaffeebecher fallen gelassen hat – ihr wisst schon.
Und heute stand ich an der Kasse des Supermarktes meines Vertrauens. Ich war nur dorthin gefahren, um Milch einzukaufen. Als ich an der Kasse stand und der Inhalt meines Einkaufswagens von der Kassiererin durchgezogen wurde, machte es 25 Mal „Piep“ – und die Milch hatte ich vergessen. „Jetzt hab‘ ich die Milch vergessen.“, sagte ich mehr zu mir als zu der freundlichen Kassiererin. „Na, dann holen Sie sie noch mal schnell“, erwiderte sie. Hinter mir standen eintausend Leute mit gefüllten Einkaufswagen. Ich lief los, holte die Milch und schnaufte zurück zur Kasse. Während meine Milch durchgepiept wurde, entschuldigte ich mich mit hochrotem Kopf bei den Wartenden. „Alles gut!“ schallte es mehrstimmig zurück. Ich habe mich dazu entschlossen, ihnen zu glauben. Das Gefühl ist einfach zu schön und es reguliert meinen Blutdruck. Willkommen „Alles gut“.